Neu vorliegende Urteilsbegründung zum Rechtsstreit zwischen G-BA und BMG bezüglich der Rechtsaufsicht berührt Erstattungsfähigkeit der anthroposophischen Misteltherapie

Seit kurzem liegt die schriftliche Urteilsbegründung des Bundessozialgerichtes (BSG) zur Frage vor, inwieweit das Bundesgesundheitsministerium (BMG) inhaltlich Einfluss auf die Arzneimittelrichtlinie ausüben darf. Die veröffentlichen Urteilsgründe in diesem langjährigen Rechtsstreit betreffen die Erstattungsfähigkeit der anthroposophischen Misteltherapie in der adjuvanten (unterstützenden) Situation. Auch wenn diese Begründung eine negative Tendenz zur Erstattungsfähigkeit zeigt, muss klar gestellt werden: Von einem "Aus für die Misteltherapie", über das einige Medien bereits (vorschnell) berichten, kann keine Rede sein. Nach wie vor sind Mistelpräparate in der palliativen Therapie (das heißt einer in der Regel metastasierten und nicht operablen Tumorerkrankung) ungefährdet kassenärztlich verordnungsfähig. Die anthroposophischen Mistelpräparate (abnobaVISCUM, Helixor, Iscador, Iscucin) sind auch weiterhin für die adjuvante Behandlung zugelassen. Leider berührt das Urteil in keinem Punkt die Frage nach der Wirksamkeit der Mistel, die in zahlreichen Studien in der adjuvanten Therapie ebenso wie in der (unstreitig erstattungsfähigen) palliativen Therapie bestätigt wurde.

So geht es beim Urteil des BSG vom 11. Mai 2011 (Az.: B 6 KA 25/10 R) und der jetzt vorliegenden Begründung auch nicht primär um die Misteltherapie in toto, sondern um die Reichweite der Rechtsaufsicht des BMG über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und um die Frage, ob das BMG eine Änderung der Arzneimittelrichtlinie durch den G-BA beanstanden durfte. Das oberste Sozialgericht hatte im Mai entschieden, dass der G-BA das Recht habe, die Erstattung der Mistel durch die GKV auf die palliative Behandlung zu begrenzen. Die Anthroposophische Medizin ist nach dem Urteil davon ausgegangen, dass diese Einschränkung der Erstattungsfähigkeit nur dann wirksam werden könne, wenn der G-BA die heute geltende Fassung der Arzneimittelrichtlinie (Anlage I, OTC-Übersicht) erneut ändern würde.

Durch die jetzt veröffentlichte Begründung wird allerdings eine andere Tendenz erkennbar. Denn das BSG stärkt offenbar die Auffassung des G-BA, dass anthroposophische Arzneimittel nur in sehr engen Grenzen substitutiv verordnungsfähig sein können. Damit wäre das in Deutschland gültige Gebot, die therapeutische Vielfalt zu achten, geschwächt. Das BSG weist darauf hin, dass Ärztinnen und Ärzte, die die Misteltherapie nach der Veröffentlichung des Urteils auf Kassenrezept verordnen, sich nicht mehr auf einen Vertrauensschutz berufen können. Für die Patienten gibt es allerdings nach wie vor die Möglichkeit, eine Kostenübernahme der adjuvanten Misteltherapie mit der jeweiligen Krankenkasse im Einzelfall abzuklären und bestätigen zu lassen.

Fazit: Obwohl die Zulassung der anthroposophischen Mistelpräparate auch die adjuvante Tumortherapie mit einbezieht, ist durch die Urteilsbegründung des BSG die Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV in der adjuvanten Situation zurzeit akut gefährdet. Für die Anthroposophische Medizin ist klar, dass der juristische Streit um die Mistel weiter gehen wird. Dr. med. Matthias Girke, Vorstand des Dachverbandes Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD), gibt sich kämpferisch: "Die Wirksamkeit der Mistel wurde in zahlreichen Studien belegt und durch die praktische Erfahrung von Ärzten und Millionen von Patienten bestätigt. Die Mistel ist eben aus gutem Grund das am weitesten verbreitete komplementärmedizinische Arzneimittel in der Krebstherapie. Deshalb werden wir uns intensiv dafür einsetzen, dass Mistelpräparate zukünftig wieder unstreitig auch in der adjuvanten Therapie erstattungsfähig sein werden."

Hintergrund zum Rechtsstreit um die Erstattungsfähigkeit der Mistel: Obwohl nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel 2004 von der Erstattung durch die GKV ausgeschlossen wurden, können einige Arzneimittel der Besonderen Therapierichtungen (auch der Anthroposophischen Medizin), die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, als Ausnahme erstattet werden. 2004 wollte der G-BA adjuvante anthroposophische Misteltherapie jedoch wieder ausschließen. Das damalige Gesundheitsministerium hatte diesen Beschluss jedoch beanstandet. Klagen in erster und zweiter Instanz des G-BA gegen diese Beanstandung gingen verloren. Im Mai 2011 entschied das BSG, dass der G-BA die entsprechende Richtlinie gemäß seiner Auffassung ändern darf.

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