Die Auswirkungen der Coronapandemie sind - wie sollte es anders sein - auch in der Internet- und Gamingsucht zu spüren. Durch die Einschränkung der sozialen Kontakte nahm der Konsum von Internet und Computerspielen nämlich zu. Ebenfalls in unserer Rubrik Medizin und Gesundheit: Eine Studie, die zeigt, wie sich Luftverschmutzung auf den Blutdruck auswirkt, der Vorstoß zum Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel für Kinder und die Frage, ob die sinkende Quote der stillenden Mütter in Verbindung mit dem Marketing der Babynahrungsmittelindustrie steht.

Die Meldungen

» Luftverschmutzung hat Einfluss auf Bluthochdruck

» Kommt ein Werbewerbot für Junkfood?

» Zu viel Bildschirm

» Beeinflusst Werbung für Babynahrung die Stillquote?

 

Luftverschmutzung hat Einfluss auf Bluthochdruck

driving ban g639f92e0a 1920Berlin, 06. März 2023. Eine in London durchgeführte »Studie zum Zusammenhang zwischen Feinstaub und Schädigung der Blutgefäße bei Teenagern kommt zu dem Schluss, dass Luftverschmutzung einen Einfluss auf den Blutdruck haben könnte. Die ethnische Zugehörigkeit oder sozioökonomische Vorteile spielten dabei keine Rolle. Deutlich aber wurde, das Mädchen stärker reagieren als Jungen. Ethnische Minderheiten waren nur deswegen stärker betroffen, weil in den von der Luftverschmutzung betroffenen Stadtteilen mehr Angehörige eben dieser Gruppen leben und sie rund 80 Prozent der Studienteilnehmer:innen darstellten. Die Untersuchungen zeigten, dass das Einatmen von Partikeln den Blutdruck erhöhen, die vermehrte Exposition von Stickstoffdioxid allerdings das Gegenteil bewirken kann. Insgesamt wird vermutet, dass Jugendliche in der wichtigen Reifephase der Pubertät beeinträchtigt werden. Welchen Einfluss Luftverschmutzung auf das kardiovaskuläre Risiko bei Erwachsenen hat, wurde in anderen Studien bereits deutlich. 

Feinstaub besteht laut Umweltbundesamt aus einem Gemisch fester und flüssiger Partikel und entsteht zum Beispiel durch Emissionen von Kraft- und Fernheizwerken in der Metall- und Stahlerzeugung - und natürlich im Straßenverkehr. Die Partikel können aber auch durch Gase wie Schwefel- und Stickoxide und Ammoniak entstehen, hier ist dann von sekundärem Feinstaub die Rede. In Städten ist der Straßenverkehr die dominierende Staubquelle. In der Landwirtschaft entsteht Feinstaub beispielsweise durch Ammoniakemissionen in der Tierhaltung.

 

Quellen:

„Feinststaub kann Blutdruck bei Teenagern erhöhen“, Deutsches Ärzteblatt, 14. Februar 2023, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140933/Feinststaub-kann-Blutdruck-bei-Teenagern-erhoehen?rt=392519b3b9056d75ab14b7c49b5dee7f
„Bereits in der Jugend beeinflusst Luftverschmutzung den Blutdruck deutlich“, Deutsches Ärzteblatt, 08. Februar 2023, https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Bereits-in-der-Jugend-beeinflusst-Luftverschmutzung-den-Blutdruck-deutlich-436462.html
„Luftqualitätsgrenzwerte in Deutschland 2022 erneut nahezu überall eingehalten - Schutz der Gesundheit ist dennoch nicht sichergestellt“ Pressemitteilung, Umwelt Bundesamt,  13. Februar 2023, https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/luftqualitaetsgrenzwerte-in-deutschland-2022-erne

 

Kommt ein Werbewerbot für Junkfood? 

pexels anna tarazevich 5093859Berlin, 06. März 2023. Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Die Grünen) hat in einer Pressekonferenz einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der unter anderem ein Werbeverbot für Produkte vorsieht, die zu viel Zucker enthalten und konkret Kinder ansprechen. Özdemir argumentierte, dass Werbung für ungesunde Lebensmittel besonders Kinder und Jugendliche beeinflusse und die Regierung eine Verantwortung habe, diese Gruppen zu schützen.
Laut Özdemir solle die Werbung für ungesunde Lebensmittel, die reich an Zucker, Fett und Salz sind, in der Zeit von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr abends verboten werden. Das Verbot soll nach den Nährwertprofilen der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegt werden. 

Gemischte Reaktionen

Die politischen Parteien reagierten unterschiedlich auf den Vorschlag. Während SPD und Linke den Vorschlag unterstützten, lehnten Union und FDP ihn ab. Die Kritik von Union und FDP lautete, dass ein solches Verbot die Freiheit der Verbraucher einschränken würde und die Verantwortung für eine gesunde Ernährung bei jedem Einzelnen liege. Auch die Wirtschaft zeigte sich besorgt über den Vorschlag. Der Bundesverband der Deutschen Lebensmittelindustrie befürchtet, dass ein solches Verbot die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen und Arbeitsplätze gefährden könnte. Außerdem argumentierten einige Vertreter der Werbeindustrie, dass ein Werbeverbot für Junkfood unverhältnismäßig sei und auch andere Faktoren wie Bewegungsmangel und Genetik zu Übergewicht und Adipositas führen können.

Von Kinderärzt:innen, Wissenschaftler:innen und Verbraucherorganisationen wurden die Pläne des Ministers hingegen begrüßt. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft nannte das Verbot einen "großen Wurf". Auch die Stiftung Kindergesundheit unterstützt den Gesetzentwurf zur Begrenzung der an Kinder gerichteten Werbung für Lebensmittel mit ungünstiger Zusammensetzung. „Ausdrücklich begrüßen wir den Einbezug aller Medien einschließlich der rapide zunehmenden Online-Vermarktung durch Influencer, der in den Tag und den Abendstunden ausgestrahlten Werbung, sowie der Werbemaßnahmen im Umkreis von KiTas, Schulen und von Kindern besuchten Freizeiteinrichtungen“, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorstand der Stiftung Kindergesundheit.

Auch wir begrüßen die Maßnahmen des Ministers, hoffen auf eine baldige Umsetzung und wünschen viel Erfolg bei der Durchsetzung des Verbots. »Hier haben wir noch eine sehr interessante Faktensammlung zu diesem Thema.

 

Quellen:

"Özdemirs Werbebeschränkung ist ein Meilenstein für die Kindergesundheit“, 27.Februar. 2023: https://idw-online.de/de/news809919
"Özdemir will Junkfood-Werbung einschränken", 27. Februar. 2023: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/lebensmittel-werbung-kinder-oezdemir-100.html

 

Zu viel Bildschirm

pexels gustavo fring 4127409Berlin, 06. März 2023. Während des ersten Lockdowns im Jahr 2020 haben Häufigkeit und Dauer der Nutzung von Videospielen und Social Media deutlich zugenommen. Die Spielzeit hat sich fast verdoppelt. Die Teilnehmenden einer DAK-finanzierten »Studie gaben an, während des Lockdowns häufiger in Sozialen Netzwerken unterwegs zu sein: knapp zwei Stunden an Schultagen und etwa drei Stunden an Wochenenden. Damit hat die Social Media-Sucht weiter zugenommen: Die Rate des pathologischen Konsums ist seit 2019 von 3,15 Prozent auf 4,6 Prozent gestiegen. Ähnlich sieht es beim Gaming aus. „Der Anstieg der Computerspielsucht um mehr als 50 Prozent ist alarmierend“, sagt Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit.

Kein Problem nur bei Kindern

Die Sucht kann fast jeden treffen, da heute mehr als fünf Milliarden Menschen online sind, erklärte der Wissenschaftsjournalist und Physiker Ranga Yogeshwar am Tag der digitalen Gesundheit. Das Internet habe die Welt in sehr kurzer Zeit erobert, das bedeute aber auch, dass die Digitalisierung zunehmend den Alltag präge und die Menschen weltweit durchschnittlich fast sieben Stunden am Tag online seien. Schwierig sei auch, dass das Handy den Alltag immer wieder störe. "Es beeinflusst, wie lange wir uns konzentrieren können", so Yogeshwar.
Der Psychologe und Social-Media-Experte Christian Montag sagt, die Mechanismen hinter diesem Verhalten ließen sich durch Phänomene wie soziale Belohnungen oder „Angst, etwas zu verpassen“ erklären. „Die Geschäftsidee der Tech-Branche ist es, so viel wie möglich über eine Person zu erfahren und dieses Wissen in der Werbung zu präsentieren“, erklärt er.

Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

„MBS (medienbezogene Störungen) wird bei Kindern und Jugendlichen oft nicht erkannt oder erst spät diagnostiziert, was die persönliche, soziale und schulische Entwicklung erheblich beeinträchtigt und eine erhebliche Belastung für die gesamte Familie darstellt. Häufig liegen behandlungsbedürftige psychiatrische Begleiterkrankungen vor, wie zum Beispiel Aufmerksamkeitsdefizite /Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Angst oder Depression", erklärt Kerstin Paschke, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. "Ein zu hoher und falscher Medienkonsum kann sich nachteilig auf die Gesundheit von Kindern auswirken“, warnt auch die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn die Bewegung darunter dauerhaft leide. Der Medienkonsum beginne heutzutage bereits im Kleinkindalter. 52 Prozent der Vier- bis Sechsjährigen gucken unter der Woche länger als die von Experten empfohlene halbe Stunde pro Tag auf Fernseher oder andere digitale Geräte, wie der AOK-Bundesverband in seiner Familienstudie mitteilte. Am Wochenende sind es sogar 77 Prozent.

Psycholog:innen und Kinderärzt:innen warnen

In einer »Langzeitstudie zeigten Kinder, die im ersten Lebensjahr viel Zeit vor dem Fernseher oder anderen Bildschirmen verbrachten, EEG-Veränderungen auf, was in der Grundschule mit Aufmerksamkeits- und Kontrollstörungen einherging. Psycholog:innen und Kinderärzt:innen warnen Eltern schon lange davor, Kinder zu früh mit Fernseh- oder anderen Videoinhalten zu konfrontieren. Gerade im ersten Lebensjahr kann das Gehirn von Kindern zweidimensionale Inhalte noch nicht verstehen oder verarbeiten. Gleichzeitig bindet das Fernsehen die kognitiven Ressourcen der Kinder, die dann für andere Lernprozesse nicht mehr zur Verfügung stehen. Zudem hindert der ständige Informationsfluss von außen Kinder daran, ihre exekutiven Funktionen wahrzunehmen.

Verzicht bis zum dritten Lebensjahr

Die Initiative »„Bildschirmfrei bis 3“ empfiehlt daher einen gänzlichen Verzicht digitaler Medien bis zum dritten Lebensjahr. Und bei älteren Kindern ist der achtsame Gebrauch von immenser Bedeutung. Freies Spielen und Bewegung ist ebenso wichtig wie Malen und Singen. In den ersten Lebensjahren lernen Kinder ihren Körper zu formen, mit dem sie ihr weiteres Leben selbständig meistern können. 

 

Quellen:

„Jedes zweite Kind verbringt zu viel Zeit vor Bildschirmen“, Deutsches Ärzteblatt, 02. Februar 2023, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140736/Jedes-zweite-Kind-verbringt-zu-viel-Zeit-vor-Bildschirmen?rt=392519b3b9056d75ab14b7c49b5dee7f
„Bereits in der Jugend beeinflusst Luftverschmutzung den Blutdruck deutlich“, Deutsches Ärzteblatt, 01. Februar 2023, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140669/Fernsehen-im-ersten-Lebensjahr-koennte-kognitive-Entwicklung-beeinflussen?rt=392519b3b9056d75ab14b7c49b5dee7f
„Pandemie führte zu Anstieg bei Internet- und Gamingsucht“, Deutsches Ärzteblatt, 27. Januar 2023, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140388/Pandemie-fuehrte-zu-Anstieg-bei-Internet-und-Gamingsucht?rt=392519b3b9056d75ab14b7c49b5dee7f

 

Beeinflusst Werbung für Babynahrung die Stillquote?

pexels sarah chai 7282318Berlin, den 28. Februar 2023. Nur ungefähr die Hälfte der Babys unter sechs Monaten werden weltweit noch voll gestillt. Diese niedrige Stillquote liegt laut Nigel Rollins von der World Health Organization (WHO) auch mit daran, dass die Werbung der Babynahrungsindustrie sehr aggressiv betrieben wird. Er plädiert sogar für ein komplettes Verbot von Werbung für Babynahrung.
Auch in Deutschland kritisieren Hebammen, Ernährungswissenschaftler:innen und Ärzt:innen das Marketing von Babynahrung.

Falsche Versprechungen der Hersteller

Die prälacteale Nahrung ist in vielen Ländern sehr verbreitet und erschwert den Beginn des Stillens. Obwohl die bioaktiven Substanzen der Muttermilch nicht komplett nachahmbar sind, werden aus Sorge um unzureichende Nährstoffversorgung Wasser und tierische Milch zugefüttert. Die damit einhergehenden Probleme beim Stillen werden von Herstellern der Babynahrung aufgegriffen: es wird suggeriert, mit industriell hergestellter Säuglingsnahrung sei es einfacher, das Kind gut zu ernähren. Koliken sollen seltener auftreten, die Kinder seien zufriedener – das sind nur einige der unbelegten Versprechungen der Hersteller. Auch ist zu beachten, dass es bei der Fütterung mit künstliche Babynahrung häufiger zu Aspirationen kommen kann und die Säuglinge weniger engen Kontakt zu ihrer Betreuungsperson haben. Auch Unterernährung und Überfütterung sind wahrscheinlicher als beim Stillen.

Neue Strategie zur Stillförderung

Das Argument, die industriell hergestellte Babynahrung könne den IQ positiv beeinflussen, ist durch epidemiologische »Studien ins Gegenteil widerlegt. Forscher:innen zeigten vielmehr, dass Frühgeborene, die mit Muttermilch gefüttert und später gestillt worden sind, im Alter von sieben Jahren bessere schulische Leistungen, weniger ADHS-Symptome und einen höheren IQ-Wert aufwiesen.

Um gegen Fehlinformationen vorzugehen und die Vorteile des Stillens für die Gesundheit der Kinder deutlicher zu machen, soll laut Prof. Dr. Regina Ensenauer vom Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe eine Strategie zur Stillförderung erarbeitet werden. Wie diese genau aussehen soll ist noch nicht bekannt. Erst einmal soll eine wissenschaftliche Datenlage ermittelt werden. 

 

Quellen:

„Niedrige Stillquote: Experten kritisieren Babynahrungsindustrie“, Deutsches Ärzteblatt, 08. Februar 2023, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140863/Niedrige-Stillquote-Experten-kritisieren-Babynahrungsindustrie
„Studie: Muttermilch verbessert schulische Leistungen von Frühgeborenen“, Deutsches Ärzteblatt, 18. Juli 2022, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/135937/Studie-Muttermilch-verbessert-schulische-Leistungen-von-Fruehgeborenen