Deutscher Bundestag

Eigentlich müsste er es besser wissen: Erneut hat sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach gegen die Homöopathie positioniert und gefordert, homöopathische Arzneimittel nicht mehr als Satzungsleistungen durch die Krankenkassen erstatten zu lassen. Für die geltende Therapiefreiheit wäre das eine klare Fehlentscheidung. Politisch wird es auch in unseren Meldungen aus dem Bundestag, wo kürzlich wichtige Gesetze zur Pflege und zu den GKV-Finanzen verabschiedet wurden bzw. werden. Und zum Schluss zeigt eine Studie zur ganzheitlichen Therapie bei Rückenschmerzen gute Ergebnisse.

Die Meldungen:

» Karl Lauterbach und die Homöopathie
» Aus dem Bundestag: Gesetze zu den GKV-Finanzen und zur Pflege
» Ganzheitlich gegen Rückenschmerzen


Karl Lauterbach und die Homöopathie

globuli clipdealer 140814Berlin, 1. November 2022. Dass Karl Lauterbach kein Freund der Homöopathie ist, ist bekannt. Einen erneuten Beleg für seine Haltung gab er Mitte Oktober, als er forderte, die Homöopathie aus den freiwilligen Satzungsleistungen der Krankenkassen zu streichen. Auch wenn es dafür keine konkreten Pläne gibt, sollte Karl Lauterbach besser wissen, was er in Interviews fordert.

Mehr wissenschaftlich-sachlicher Diskurs, bitte!

Homöopathie, Anthroposophische Medizin und Naturheilkunde gehören in Deutschland zu den „Besonderen Therapierichtungen“. Sie sind in unserem Gesundheitssystem seit Jahren etabliert und werden in der Regel ergänzend eingesetzt. Sie erweitern die Handlungsoptionen um ein Vielfaches – gerade bei den bislang ungelösten Problemen wie Zunahme der chronischen Erkrankungen, Antibiotika-Resistenzen und Übermedikationen. Trotzdem gibt es immer wieder Gegenwind. Die Hufelandgesellschaft, Ärztlicher Dachverband für Integrative Medizin, kommentiert in ihrer aktuellen Stellungnahme: „Daher fordern wir politische Entscheidungen aufgrund sachlicher wissenschaftlicher Diskurse und nicht auf Grundlage von Meinung und Dogmatismus: Evidenz statt Eminenz.“

Um die Homöopathie tobt eine inzwischen immer schrillere Debatte, die zwar oft genug mehr wissenschaftliche Nachweise für die Homöopathie fordert, selbst aber vorhandene Studien ignoriert. „Studien aus der Grundlagenforschung, der klinischen Forschung und der Versorgungsforschung zeigen sowohl die Wirksamkeit, die Sicherheit als auch den wirtschlichen Nutzen der homöopathischen Therapie“, so der Ärztliche Dachverband.

Streichung wäre auch eine Entscheidung gegen die Patient:innen

Auch das Bürger- und Patientenbündnis „weil’s hilft – Naturmedizin und Schulmedizin gemeinsam“ wehrt sich gegen die Äußerungen von Lauterbach: „Fakt ist, dass sich die Homöopathie als ergänzende und nebenwirkungsarme Behandlungsmethode über viele Jahrzehnte bewährt hat und bei großen Teilen der Bevölkerung als ganzheitliche Therapierichtung großen Anklang findet: Repräsentative Umfragen machen deutlich, dass die Homöopathie von einer Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet wird.“

Eine Streichung der Satzungsleistungen wäre vor allem eine Entscheidung gegen die Patient:innen ohne nennenswerte Einspareffekte für die gesetzlichen Krankenkassen, so das Bündnis. „Mit dem Angriff auf die Erstattungsfähigkeit von homöopathischen Leistungen lenkt Gesundheitsminister Lauterbach ab von den wirklichen Problemen im Gesundheitssystem: der mangelnden Koordination zwischen den Sektoren und Fehlanreizen zugunsten überteuerter Prozeduren und Eingriffe, die vielen Patient:innen eher schaden als nutzen.“

Quellen:

„Satzungsleistungen für Homöopathie müssen bleiben!“, Pressemitteilung „weil’s hilft – Naturmedizin und Schulmedizin gemeinsam“, 14. Oktober 2022
„Evidenz statt Eminenz – mehr Sachlichkeit gefordert“, Stellungnahme Hufelandgesellschaft, Oktober 2022

 

Aus dem Bundestag: Gesetze zu den GKV-Finanzen und zur Pflege

doctor pandemieBerlin, 1. November 2022. Dass Deutschland im Gesundheitswesen ganz andere Probleme als Homöopathie & Co. hat, zeigen zwei neue Gesetzesvorhaben, die kürzlich im Bundestag sehr kontrovers diskutiert wurden. Es geht um die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung und die Pflege, beides Dauer-Baustellen, bei denen Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen.

Gesetz soll Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen stabilisieren

Prognosen gehen im nächsten Jahr von einer Finanzierungslücke in Höhe von 17 Milliarden Euro in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus. Karl Lauterbach hatte deshalb ein Gesetz vorgelegt, das nach wochenlangen Protesten von Leistungserbringern, Krankenkassen und anderen nun doch vom Bundestag verabschiedet wurde.

Dazu das Deutsche Ärzteblatt: „Glücklich ist außer den Mitgliedern der Ampelkoalition eigentlich niemand: Mit dem Gesetz zur Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetzt, GKV-FinStG) hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) alle Betroffenen vor den Kopf gestoßen: Die Ärzteschaft protestierte gegen die Abschaffung der Neupatientenregelung, die Apothekerschaft gegen die Erhöhung des Apothekenabschlags, die Pharmaindustrie sieht den Standort Deutschland gefährdet und die Krankenkassen halten die Reform für ungeeignet, ihre Finanzprobleme über das akute 17-Milliarden-Euro-Loch hinaus nachhaltig zu lösen.“

Personalbemessung in der Pflege

Auch für die Pflege hatte sich Karl Lauterbach für dieses Jahr viel vorgenommen. In diesem Herbst geht es nun vor allem um das Thema Personalbemessung in Kliniken, zu dem das Bundesgesundheitsministerium einen Gesetzesentwurf vorgelegt hatte, der Mitte Oktober in erster Lesung im Bundestag diskutiert wurde. Ziel des Gesetzes sei es, „stationsgenau“ festzuhalten, wie die Personalsituation sei und möglichen Mehrbedarf an Personal abzuleiten.

Bei der Bundestags-Debatte wurde kritisiert, dass die geplanten Maßnahmen zu spät und zu wenig umfassend ansetzten. Es sei noch mehr Dokumentationsaufwand absehbar, so dass die Pflegenden faktisch keine Entlastung spüren würden.

Konkret sieht das Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz den Einsatz eines Instruments zur Personalbemessung – genannt PPR 2.0 – vor, das von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Deutschen Pflegerat entwickelt wurde. Die PPR 2.0 gilt Befürwortern auch als Antwort auf die umstrittenen Pflegepersonaluntergrenzen, die als zu unflexibel und bürokratisch kritisiert wurden. Den Regierungsplänen zufolge soll die PPR 2.0 in drei Stufen wirksam werden, ab dem 1. Januar 2023 soll es zunächst eine Erprobungsphase geben. Ab 2025 sollen die Personalvorgaben verbindlich sein. Ausnahmen sind geplant.

Quellen:

„GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Gesetz mit vielen Gegnern“, Deutsches Ärzteblatt, 28. Oktober 2022
„Lauterbach: Machen Ernst mit der Entlastung der Krankenhauspflege“, Ärzte Zeitung, 19. Oktober

 

Ganzheitlich gegen Rückenschmerzen

RückenschmerzenBerlin, 1. November 2022. Bewegungsmangel, Fehl- und Überbelastung, Dauerstress am Arbeitsplatz oder privat – es gibt viele Ursachen für die Volkskrankheit Rückenschmerz, der inzwischen auch einen großen Anteil der Ressourcen im Gesundheitssystem bindet. Eine neue Studie bestätigt, was man auch vorher geahnt hatte: auf die individuell-ganzheitliche Therapie kommt es an. Gut, dass diese Perspektive jetzt auch im Rahmen einer großen Meta-Analyse erforscht wurde.

Für die Meta-Studie wurden von Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität Frankfurt 58 randomiserte, kontrollierte Studien (randomised controlled trials, RCTs) mit mehr als 10.000 Patientinnen und Patienten weltweit eingeschlossen. Das Resultat der Studie: Eine personalisierte Behandlung führte zu einer deutlichen Steigerung der Effekte im Vergleich zu Standard-Bewegungstherapien. Die Erfolgsquote bei der Schmerzlinderung lag 38 Prozent höher als bei einer Standardbehandlung." Der höhere Aufwand der Personalisierung lohnt sich, da die Patienten in klinisch relevantem Ausmaß davon profitieren", sagte der federführende Autor PD Dr. Johannes Fleckenstein.

Außerdem wurde gezeigt: Kommt ergänzend ein psychotherapeutisches Verfahren dazu (kognitive Verhaltenstherapie), lassen sich die Schmerzen sogar noch effektiver lindern – um 84 Prozent höher als bei einer Standardbehandlung. Die kombinierte Therapie, auch multimodale Therapie genannt, führte also zum mit Abstand besten Ergebnis.

Fleckenstein sieht in der Studie "den dringenden gesundheitspolitischen Appell", kombinierte Angebote in der Versorgung und Vergütung zu stärken. "Im Vergleich zu anderen Ländern, etwa den USA, stehen wir in Deutschland zwar relativ gut da. Wir haben zum Beispiel eine geringere Verschreibung von starken Betäubungsmitteln wie Opiaten. Aber die Rate an unnötigen Röntgenuntersuchungen, die im Übrigen auch zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen können, oder ungenauen OP-Indikationen ist noch immer sehr hoch."

Quelle:

Rückenschmerz-Therapie: Um 84 Prozent gesteigerte Erfolgsquote“, Informationsdienst Wissenschaft, 18. Oktober 2022