Beim Besuch einer Kindergartenfreundin meiner Tochter vor 33 Jahren wurde ich von Halsschmerzen geplagt. Als Apothekerin hatte ich mich schon „durch meinen Schubladenschrank“ gelutscht - nichts wollte helfen. Die Mutter der Kindergartenfreundin brachte mir Apis/Belladonna cum Mercurio Globuli von Wala, damals noch im Pappröhrchen: „Probiere das mal, das hilft mir immer!“

Neugierde statt Dogma

Ich war ursprünglich noch sehr dogmatisch auf klassische Homöopathie fixiert. Da kam es gar nicht in Frage so ein Durcheinander zu konsumieren. Chemie ging notfalls auch, aber so etwas? Um nicht unhöflich zu sein willigte ich ein und - oh Wunder - die „Kigele“ halfen, sogar rasch! Nach wenigen Anwendungen war der eine Woche anhaltende Halsschmerz weg. Das machte mich doch nachdenklich und ich begann mich mit diesen wundersamen Kompositionen zu beschäftigen.
Auf diesem spannenden Weg begegnete ich einem völlig neuen, erweiterten Menschenbild. Ich begann zu verstehen, dass klassische Homöopathie wichtig ist, dass es durchaus aber noch andere Zugänge zum Menschen, seinem Schicksal, seinem Lebensweg gibt. Es bildete sich eine neue Offenheit der Welt und ihren großartigen Phänomenen gegenüber und bis heute begleitet mich der Wunsch, nie das Staunen zu verlieren. Das ist für mich eine Lebensgrundlage geworden.
Für mich begann ein spannender und reicher Lebensweg mit der erwachenden Anthroposophie. Ich begann so essentielle Dinge wie Rhythmus zu verstehen. Dieses zentrale Wort von Rudolf Steiner auf die Frage von Rudolf Hauschka, was das Leben trage: „Studieren Sie Rhythmus! Rhythmus trägt Leben“, hat mir die Augen geöffnet.

Rhythmus trägt Leben

In unserer heutigen Zeit fallen wir so oft aus den lebenstragenden Rhythmen. Zu diesen, uns stabilisierenden Rhythmen, gehört beispielsweise der Tag- und Nachtrhythmus. Durch die allgegenwärtige Elektrizität leuchten wir uns die Welt nachts taghell und provozieren so Schlafstörungen und lange Wachphasen.
Mit der Anthroposophie und ihrem umfassenden Menschenbild im Herzen, kann ich meine Kunden besser beraten, ihnen kleine Impulse geben. Dieses Verständnis ist nicht auf Arzneimittel der anthroposophischen Hersteller beschränkt. Alles andere im Leben darf und möchte gerne so betrachtet und verstanden werden.
Ein weiteres zentrales Phänomen, das so selbstverständlich scheint, kristallisiert sich auf meinem Weg vor mir langsam aus. Das ist der Begriff der Freiheit und damit verbunden der Verantwortung. Freiheit schien mir immer als selbstverständlich, war es aber nicht, denn: "ich wusste ja was für die Anderen gut und richtig war." Mich davon zu lösen und das eigene Dasein nur als Begleiter des Anderen zu erkennen, ist auch so eine Frucht, die mir stückweise geschenkt wird. Mit diesem Geschenk bin ich noch eine Weile beschäftigt.

Ein Blick in die Zukunft

Zuletzt - ich bin gerade 65 Jahre alt geworden - ist es mir gelungen im Juni dieses Jahres meine geliebte Apotheke in die Hände einer wundervollen Nachfolgerin zu legen. Mich von meinem Lebenswerk loslösen zu können, gelingt mir auch deshalb so gut, weil ich gelernt habe auf mein Karma, auf meine geistige Führung zu vertrauen. Das erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit. Und, dass ich dieses Vertrauen jetzt noch eine Weile weiter in der Begleitung unserer Kunden, sogar in derselben Apotheke, weiter üben darf, ebenso.
Mein großer Wunsch für die Zukunft ist es, dass mehr Menschen sich mit der Anthroposophie befassen und so das Verständnis ihrer wachsen darf. Ich glaube, dadurch kann Frieden zwischen den Menschen entstehen und gefestigt werden. Ein Verständnis für den Sinn von Krankheit und die Freude über Gesundheit würde sich bilden. Hilfreiche Begleiter auf diesem Weg sind die wertvollen „Kigele“ und Co. mit denen alles begann.

Barbara Massag, Anthroposophische Pharmazeutin, » See-Apotheke, Bodolz