Neue Arzneimittelrichtlinie schränkt die Erstattungsfähigkeit der anthroposophischen Misteltherapie auf Kassenrezept deutlich ein
Ab sofort ist die anthroposophische Misteltherapie in der adjuvanten (unterstützenden) Behandlung nicht mehr zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattungsfähig. Das bedeutet, dass Krebs-Patientinnen und -Patienten die Behandlung mit anthroposophischen Mistelpräparaten (abnobaVISCUM, Helixor, Iscador, Iscucin) in der adjuvanten Situation selber bezahlen müssen. Wichtig: Diese Präparate sind für die adjuvante Behandlung natürlich weiterhin zugelassen – auch wenn sie nun nicht mehr erstattet werden können.
Die Einschränkung der Erstattungsfähigkeit gilt seit dem 21. Juni 2012. Zu diesem Datum wurde der entsprechende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19. April 2012 zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie [1] (§ 12 Abs. 6) im Bundesanzeiger veröffentlicht und konnte damit in Kraft treten. Zwar betrifft die Einschränkung der Erstattung "nur" die adjuvante Behandlung, denn bei einer palliativen Therapie wird die Mistel weiterhin von den Krankenkassen übernommen. Das ist allerdings für die Patienten ein schwacher Trost: Wird die Mistel doch von vielen gerade eingesetzt, um einem Rückfall (Rezidiv) oder der Ausbreitung des Tumors zu verhindern, damit es eben nicht zur palliativen Situation kommt. In der palliativen Therapie (das heißt bei einer metastasierten und nicht operablen Tumorerkrankung) sind Mistelpräparate nach wie vor ungefährdet kassenärztlich verordnungsfähig. Weiterhin erstattet werden können Mistelpräparate auf Kassenrezept auch nach § 12 Abs. 8 der Arzneimittelrichtlinie, wenn sie zur Behandlung schwerwiegender Nebenwirkungen von Chemotherapie, z.B. bei Chemotherapie-assoziierter Fatigue, verordnet werden.
Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger setzt einen traurigen Schlusspunkt unter eine jahrelange rechtliche Auseinandersetzung um die Erstattungsfähigkeit der Misteltherapie zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses basierte auf einem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom Mai 2011 (Az.: B 6 KA 25/10 R), bei dem es nicht um die Misteltherapie in toto gegangen war, sondern um die Frage, ob das Bundesgesundheitsministerium (BMG) inhaltlich Einfluss auf die Arzneimittelrichtlinie ausüben dürfe. Das oberste Sozialgericht hatte dazu entschieden, dass der G-BA das Recht habe, die Erstattung der Mistel durch die GKV auf die palliative Behandlung zu begrenzen. Diese Begrenzung ist nun durch die Änderung der Arzneimittelrichtlinie (Anlage I, OTC-Übersicht) wirksam geworden.
Es ist bitter, dass die konkreten Bedürfnisse von Krebs-Patientinnen und -Patienten bei dieser juristischen und gesundheitspolitischen Auseinandersetzung überhaupt keine Rolle spielen. Dazu Dr. med. Matthias Girke, Vorstand des Dachverbandes Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD): "Die Wirksamkeit der Mistel wurde in zahlreichen Studien belegt und durch die praktische Erfahrung von Ärzten und Millionen von Patienten bestätigt. Schließlich ist die Mistel das am weitesten verbreitete und am besten erforschte komplementärmedizinische Arzneimittel in der Krebstherapie“. Nun müssen die Patienten die Kosten für dieses bewährte und wirksame Arzneimittel selber aufbringen. Eine Entscheidung, die die Patientinnen und Patienten hart trifft.
Hintergrund zum Rechtsstreit um die Erstattungsfähigkeit der Mistel: Obwohl nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel 2004 von der Erstattung durch die GKV ausgeschlossen wurden, können einige Arzneimittel der Besonderen Therapierichtungen (auch der Anthroposophischen Medizin), die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, als Ausnahme erstattet werden. 2004 wollte der G-BA adjuvante anthroposophische Misteltherapie jedoch wieder ausschließen. Das damalige Gesundheitsministerium hatte diesen Beschluss jedoch beanstandet. Klagen in erster und zweiter Instanz des G-BA gegen diese Beanstandung gingen verloren. Im Mai 2011 entschied das BSG, dass der G-BA die entsprechende Richtlinie gemäß seiner Auffassung ändern darf.
[1] Neuer Wortlaut der Arzneimittelrichtlinie, § 12 Abs. 6: „Für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist. Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt hat zur Begründung der Verordnung die zugrunde liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen."
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