Ende September 2005 präsentierte die Stiftung Warentest die fünfte Auflage ihres Handbuches "Die Andere Medizin" (die erste Auflage erschien 1992), ein Buch, das sich mit "alternativen" Heilmethoden beschäftigt und diese bewertet. Die beiden Autorinnen, die Apothekerin Vera Herbst und die freie Journalistin Krista Federspiel, besprechen auf den 320 Seiten des Buches insgesamt 52 verschiedene komplementärmedizinische Diagnose- und Therapieverfahren.

Einziger Gutachter für die Bewertungen aller besprochenen Methoden ist Prof. Dr. Edzard Ernst, Direktor des Department of Complementary Medicine in Exeter (Großbritannien). Grundlage der Bewertungen ist die evidenz-basierte Medizin, wozu es im Buch heißt: "Zum Wirksamkeitsnachweis wurden vornehmlich kontrollierte Studien herangezogen, während zu Sicherheitsfragen sogar Einzelfälle in die Betrachtung einflossen. Dabei gilt, solange ein Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht ist, ein Verfahren als nicht effektiv. Und falls auch nur ein kleiner Verdacht auf Risiken besteht, kann das Verfahren nicht als sicher erachtet werden."

Die Antwort steht in der Einleitung: "Die zurzeit beste Methode, eine verlässliche Antwort auf die Frage nach der therapeutischen Wirksamkeit komplementärer Verfahren zu bekommen, ist die Auswertung randomisierter, klinischer Studien, wie sie auch durchgeführt werden, um konventionelle Therapien zu prüfen." (Seite 19).

Bislang hatte die Stiftung die Anwendung dieser Kriterien auf Medikamente der Komplementärmedizin, insbesondere der homöopathischen und anthroposophischen Arzneimittel, allerdings für nicht sinnvoll erachtet. Denn, so schreibt sie in der Einleitung zu ihrem mittlerweile in 6. Auflage (2004) erschienenen Arzneimittel-Klassiker "Handbuch Medikamente": "Der Einsatz homöopathischer (oder anthroposophischer) Präparate im Rahmen des besonderen Denkgebäudes dieser Therapierichtung ist mit dem anderer Arzneimittel nicht zu vergleichen. Aus diesem Grund hat die Stiftung Warentest diese Präparate nicht bewertet." Warum die Stiftung diesem Grundsatz nun gerade mit ihrem Handbuch "Die Andere Medizin" untreu geworden ist, bleibt unverständlich. Sind doch die Verfahren der Komplementärmedizin in ihren Besonderheiten und Auswirkungen noch wesentlich komplexer als ein Medikament und schon aufgrund dieser multifaktoriellen Einflüsse wohl kaum angemessen zu bewerten.

Auch liegen - und das müsste der Stiftung Warentest bekannt sein - für komplementärmedizinische Verfahren nur sehr wenige randomisiert-kontrollierte klinische Studien vor. Dies vor allem, weil die Forschung auf diesem Gebiet doch so gut wie gar nicht staatlich gefördert und an Universitäten meist rundweg abgelehnt wird. Darüber hinaus wollen viele Patienten, die komplementärmedizinische Methoden anwenden, sich nicht nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen einteilen lassen. So scheiterte eine große Studie zur Misteltherapie, die am Krebsforschungszentum Heidelberg begonnen werden sollte, daran, dass sich von den angeschriebenen Patienten nur ein sehr kleiner Teil in dieser Art "randomisieren" lassen wollte.

Die Stiftung Warentest kümmert all das wenig. Sie benotet die 52 besprochenen Verfahren mit bewundernswertem Mut als entweder "geeignet", "mit Einschränkung geeignet", "wenig geeignet" oder "nicht geeignet". Wenn man das Buch genau studiert, fällt auf, dass auch die anderen Therapieverfahren nicht differenziert betrachtet und bewertet werden - finden sich in der Übersicht am Schluss des Buches doch lediglich die Bewertungen "geeignet" für rund ein Drittel der Methoden bei bestimmten Indikationen (z.B. Aromatherapie bei Angst, Meditation bei Arthritis oder Asthma, Yoga zur Cholesterinsenkung) sowie "wenig geeignet" und "nicht geeignet" für die restlichen zwei Drittel der Verfahren. Kein einziges Mal jedoch wird die Bewertung "mit Einschränkung geeignet" vergeben. Wozu vier Kategorien der Bewertung, wenn nur drei angewendet werden. Das legt die Frage nahe: Wie ernst nimmt die Stiftung Warentest ihre eigenen Beurteilungskriterien?

Wie sieht nun die Bewertung der Anthroposophischen Medizin aus? Dazu heißt es auf Seite 82 zusammenfassend: "Teilaspekte dieses Konzepts (der Anthroposophischen Medizin) mögen hilfreich sein. Die Wirksamkeit der Anthroposophischen Medizin als Gesamtkonzept ist jedoch nicht nachgewiesen. Bei vorschriftsmäßiger Anwendung des Verfahrens sind die Risiken eher gering. Die Anthroposophische Medizin als Therapiekonzept ist zur Behandlung von Krankheiten nicht geeignet."

Dazu wollen wir etwas ausführlicher Stellung nehmen:

"Die Wirksamkeit der Anthroposophischen Medizin als Gesamtkonzept ist jedoch nicht nachgewiesen."

Die Anthroposophische Medizin verfügt in Deutschland über neun staatlich anerkannte Kliniken mit zusammen 1400 Betten und über etwa 6000 niedergelassene Ärzte, die nach der anthroposophischen Heilmethode arbeiten. Sie wurde im Arzneimittelgesetz als "besondere Therapierichtung" sowie im Sozialgesetzbuch SGB V verankert und hat seit 1978 eine eigene Aufbereitungs- und Zulassungskommission, früher beim Bundesgesundheitsamt, in der Nachfolge beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Gäbe es all diese Einrichtungen und Institutionen, wenn die Anthroposophische Medizin als Gesamtkonzept nicht wirksam wäre? Allein in der Filderklinik (bei Stuttgart), einer der drei großen anthroposophischen Akutkliniken, wurden in den vergangenen 30 Jahren über 1 Million Patienten stationär und ambulant erfolgreich behandelt.

Darüber hinaus liegt eine umfangreiche Studie zur Evaluation Anthroposophischer Therapien bei chronischen Erkrankungen vor: "The Anthroposophic Medicine Outcomes Study" (AMOS), veröffentlicht im European Journal of Medical Research 2004. Diese Studie untersuchte die Wirksamkeit der Anthroposophischen Therapie bei knapp 900 ambulant behandelten Patienten in 141 anthroposophischen Arztpraxen. Die Schlussfolgerung dort lautet: "Patienten, die anthroposophische Therapien erhielten, erfuhren eine langfristige Verbesserung chronischer Krankheitsbeschwerden und gesundheitsbezogener Lebensqualität. Gleichzeitig wurden die Behandlungskosten gesenkt."

"Bei vorschriftsmäßiger Anwendung des Verfahrens sind die Risiken eher gering."

Wenn man das Gesamtspektrum der Anthroposophischen Medizin beurteilen will - von der Chirurgie bis zur Biographiearbeit, von der Kernspintomographie bis zur körperlichen Untersuchung, von der Physiotherapie bis zur Heileurythmie und den Anthroposophischen Kunsttherapien - bleibt offen, was mit dieser Aussage gemeint sein soll, lässt sich eine "vorschriftsmäßige Anwendung" hier doch kaum verbindlich definieren.

Lediglich bei Arzneimitteln könnte man von einer "vorschriftsmäßigen Anwendung" sprechen. Gerade bei Anthroposophischen Arzneimitteln jedoch sind die Risiken extrem gering: So wurden für die von den beiden Anthroposophischen Arzneimittelherstellern zwischen 1990 und 2000 verkauften 185 Millionen Arzneimittel-Ampullen insgesamt 36 unerwünschte Wirkungen gemeldet. Das entspricht einem Risiko von 0,00000019 Prozent. Eine Zahl, die von keinem einzigen konventionellen Arzneimittel erreicht werden dürfte.

Die in Anthroposophischen Arzneimitteln teilweise verwendeten Metalle Blei und Quecksilber können keineswegs, wie von den Autorinnen der "Anderen Medizin" behauptet, "für den Körper eine Gesundheitsgefahr darstellen" (Seite 81), weil sie nie - wie ebenfalls behauptet - "über längere Zeit und in konzentrierter Form" verabreicht werden.

"Die Anthroposophische Medizin als Therapiekonzept ist zur Behandlung von Krankheiten nicht geeignet."

Nach den Kriterien der Stiftung Warentest gilt für diese Bewertung: "Nicht geeignet ist ein Verfahren für ein definiertes Anwendungsgebiet, wenn die Abwägung von Nutzen und Risiko negativ ausfällt. Dies ist vor allem der Fall, wenn die therapeutische Wirksamkeit oder der therapeutische Nutzen gering, das therapeutische Risiko jedoch erheblich ist, die therapeutische Wirksamkeit oder der therapeutische Nutzen nicht nachgewiesen ist, unabhängig vom Risiko".

Nimmt man diese Kriterien ernst, kann die Bewertung für die Anthroposophische Medizin so nicht ausfallen. Ihre therapeutische Wirksamkeit ist durchaus nachgewiesen, und die mit einer anthroposophischen Behandlung verbundenen Risiken sind äußerst gering. Ein bestimmtes Anwendungsgebiet lässt sich für die Anthroposophische Medizin darüber hinaus ebenso wenig definieren wie für die Schulmedizin selbst. Denn Anthroposophische Medizin ist umfassend anwendbar.

Wie wenig von den Bewertungen der Stiftung Warentest für die Komplementärmedizin zu halten ist, zeigt beispielhaft eine Besprechung des Buches in der "Süddeutschen Zeitung" vom 29. September 2005 durch den Wissenschaftsjournalisten Martin Lindner, der dazu auch den Naturheilkunde-Experten Bernd Uehleke von der Berliner Charité befragt hat und schreibt: "Zwar gebe es (laut Uehleke) im Bereich der Alternativmedizin ein Forschungsdefizit. Doch liege dies auch daran, dass es für viele Verfahren - anders als in der Pharmaforschung - keine finanzstarke Lobby gebe, die Studien unterstütze. Wenn Warentest immerhin einem Drittel der komplementären Methoden Nutzen attestiere, dann sei ‚das doch gar nicht so schlecht'. In der Tat sind auch manche schulmedizinischen Methoden nicht besser abgesichert. So ist bekannt, dass nur zehn bis zwanzig Prozent der Operationsverfahren in klinischen Untersuchungen getestet wurden, die heutigen Standards genügen. Die Chirurgie abschaffen will deshalb niemand."

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