Unser Gesundheitssystem bröckelt an allen Enden – hohe Defizite, leere Kassen und fehlende Strukturreformen werfen große Probleme für die Zukunft auf.

Deutschland ist hinter den USA und Frankreich das Land mit den höchsten Gesundheitsausgaben pro Kopf und im Vergleich zum Bruttosozialprodukt (http://www.slembeck.ch/blog/?p=1049), rangiert aber nach patientenrelevanten Daten weltweit und auch in der EU nur im Mittelfeld. Die Gründe für diese Ineffizienz der eingesetzten Mittel sind zahlreich: Zuwenig Prävention, hohe Morbidität der Bevölkerung (hohe Adipositasrate; metabolisches Syndrom), aber eben auch strukturelle Schwächen.

Eines der gravierendsten strukturellen Defizite ist die sektorale Trennung unseres Gesundheitssystems in ambulante und stationäre Versorgung. Seit nunmehr 16 Jahren versucht die Politik, die Grenzen zwischen beiden Sektoren aufzuweichen, ohne dass es durch Modelle wie Ambulant Stationäre Verzahnung (ASV), MVZ’s, etc. bisher wirklich gelingt. So kommt es, dass Deutschland mit Abstand den höchsten Medizingerätepark der Welt hat. Herzkatheter, CT’s, MRT’s, Endoskopien liegen in Deutschland weit über den Zahlen aus den USA, und dass bei nur einem Drittel der Bevölkerung. Wir könnten die Bevölkerung einmal ambulant und einmal stationär in Deutschland versorgen.

Ein internationaler Blick verdeutlicht, was diese Trennung der Sektoren in Zahlen bedeutet: In Deutschland haben wir ca. 1200 Psychiatrie- und Psychosomatik- Betten auf 100.000 Einwohner, in den Niederlanden sind es nur 60 Betten/100.000 Einwohner. Wie ist dies möglich? Dies geht nur, weil in Versorgungsnetzwerken gehandelt und versorgt wird. Statt lange Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien, werden wohnortnahe Versorgungen angeboten und die Kliniken lediglich als Krisenangebote in die Netzwerkstrukturen eingebunden. Taucht, zum Beispiel, ein an Schizophrenie leidender Patient nicht mehr in dem Versorgungsnetz auf, wird ein aufsuchendes Team zum Wohnort oder Stadtteil ausgesendet, um zu schauen, was die Ursache dafür ist. Entscheidend in diesen Versorgungsnetzwerken ist die Zusammenarbeit aller Professionen und persönliche Bekanntheit der einzelnen Versorger, so dass es bei möglichst kleinen Netzwerken von 60-100 Professionals bleibt.

Ein zweiter wesentlicher struktureller Unterschied ist die sogenannte Primärarztkonsultationspflicht in den Niederlanden. Hausärzte, Pädiater, Psychiater und Gynäkologen fungieren als erste Anlaufstelle (Primärärzte) und die gesamte übrige Facharztversorgung erfolgt nur auf Überweisung dieser Primärärzte. Damit erhalten sie eine Lotsenfunktion und können die Facharztversorgung auf das medizinisch notwendige Maß reduzieren.

Auch der Medizingerätepark wird in den Niederlanden von Krankenhäusern und Fachärzten gemeinsam genutzt. Dies führt zu deutlich verminderten Ausgaben, fördert die ambulant-stationäre Versorgung und den Expertenaustausch. Auch führt die deutlich bessere Ressourcennutzung der medizinischen Großgeräte zu besseren Personalschlüsseln und Bezahlungen.

Alles in allem ein Modell, das als Beispiel dienen könnte – in Deutschland sprechen wir auch bereits seit langem immer wieder über sektorenübergreifende Versorgung, allerdings ist bislang keine wesentliche Reform angeschoben worden. Was der neue Koalitionsvertrag in diesem Punkt bereithält, lesen Sie weiter hier.