Juli 2025: Am 23.Juli beginnt in Hamburg der Europäische Musiktherapiekongress, zu dem fast 1.000 Teilnehmer:innen erwartet werden. Unter dem Motto „Bridges“ kommen Therapeut:innen, Forschende und andere Fachleute aus aller Welt zusammen, um über den therapeutischen Einsatz von Musik zu diskutieren, aber auch um sich gegenseitig zu inspirieren und zu stärken. Eine Veranstaltung, die zeigt, wie wertvoll die künstlerischen Therapien und speziell die Musiktherapie für Patientinnen und Patienten sind.
In der Anthroposophischen Medizin ist die Musiktherapie unverzichtbar – sie hat sich seit ihren Anfängen in den 1920er-Jahren aus der Heilpädagogik heraus in viele Bereiche des Lebens entwickelt. Heute begleitet sie Menschen in allen Lebensphasen – von der Schwangerschaft und ggf. Frühgeborenenzeit über Kindheit und Jugend bis hin zu Krankheit, Krisen und Sterbebegleitung. Musiktherapie wirkt dabei integrierend: Sie harmonisiert den gesamten Menschen – Körper, Lebenskräfte, Seele und geistige Individualität werden angesprochen.
Ihre Wirkung kann intentional eingesetzt werden, von beruhigend oder anregend bis harmonisierend, strukturierend und stärkend. Sie unterstützt die Atmung, fördert die Durchwärmung, steigert die Konzentrationsfähigkeit und stärkt Selbstwahrnehmung, Selbstvertrauen und innere Stabilität. Musik wird zu einem Mittel, das Selbstregulation, Lebenskräfte und die verschiedenen Rhythmen im Menschen reguliert und Entwicklung anregen kann.
In der anthroposophischen Musiktherapie wird sowohl aktiv musiziert als auch rezeptiv gehört. Klänge werden nicht nur erzeugt, sondern im therapeutischen Raum bewusst gestaltet und empfunden. Die Klienten arbeiten gemeinsam mit Musiktherapeut:innen etwa mit der Leier, der Chrotta, der Bordunzither oder Blasinstrumenten, deren Klangfarben tief in die seelische Erlebniswelt führen können. Auch das therapeutische Singen – mit der tiefen Verbindung zur Atmung und auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt – spielt eine zentrale Rolle. Dabei kann eine neue Beziehung zum eigenen Körper und zur eigenen inneren Bewegung entstehen, die heilsame Prozesse in Gang setzen kann.
Die Wirkung dieser Therapieform entfaltet sich auf mehreren Ebenen. So kann durch musikalische Rhythmisierung der Organismus wieder in ein gesundes Gleichgewicht kommen, zum Beispiel bei Erschöpfungszuständen oder chronischen Schmerzen. Auf seelischer Ebene ermöglicht Musik einen Zugang zu Empfindungen, die im Alltag oft keinen Ausdruck finden – etwa Trauer, Angst oder Wut. Gerade in Lebensphasen mit existenziellen Themen, etwa in der Onkologie oder in der Palliativversorgung, wird Musik zu einem einfühlsamen und stärkenden Begleiter. Gleichzeitig wird auch die persönliche Entwicklung gefördert – insbesondere bei Kindern mit neurologischen oder sprachlichen Entwicklungsverzögerungen oder bei Menschen mit seelischen Traumatisierungen. Musik hilft, das Selbstbewusstsein zu stärken und neue Ausdrucksformen zu entdecken, dort, wo Sprache an ihre Grenzen kommt.
Eingesetzt wird die Anthroposophische Musiktherapie in zahlreichen medizinischen und therapeutischen Feldern – im Akutkrankenhaus und von heilpädagogischen Einrichtungen über psychiatrische und psychosomatische Kliniken bis hin zur Intensivmedizin, der Palliativmedizin oder Rehabilitation sowie in freier Niederlassung. Sie wird von qualifizierten Musiktherapeut:innen durchgeführt, oft in enger Zusammenarbeit mit Ärzt:innen, Pflegekräften und anderen therapeutischen Berufen. Dabei ist sie immer Teil eines multimodalen Behandlungskonzepts, das den Menschen in seiner individuellen Lebenssituation ernst nimmt und stärkt.
Der Europäische Musiktherapiekongress bietet in diesem Jahr eine hervorragende Gelegenheit, diesen besonderen Zugang zur Musiktherapie einem großen und internationalen Publikum näherzubringen.