Wissenschaftler widersprechen Kritik an der Misteltherapie
Berlin, 5. September 2019. Manchmal mutet es schon fast bizarr an, wie intensiv die Misteltherapie immer wieder angefeindet wird. Ein neues Review hat Anfang 2019 kühn behauptet, dass die Mistel keinen Nutzen habe – obwohl zahlreiche gute Forschungsergebnisse vorliegen.
Glücklicherweise formiert sich Widerstand: "Dieses Review hält wissenschaftlicher Betrachtung nicht stand", so eine Gruppe von Forschern in einem Brief an den Herausgeber des Journal of Cancer Research and Clinical Oncology, in dem das Review veröffentlicht wurde.
Worum geht es?
In dem zweiteiligen » Review von Freuding et al. hatte sich eine Jenaer Autorengruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Jutta Hübner mit dem Einfluss von Mistelpräparaten auf das Überleben (Teil 1) und auf die Lebensqualität (Teil 2) von Krebspatienten befasst und die Ergebnisse Anfang des Jahres publiziert.
Die Forschergruppe kam zu dem Schluss, dass die Misteltherapie keinerlei Wirkung auf Überlebenszeit und Lebensqualität zeige. Außerdem könnten aus der bestehenden Literatur keine gültigen Aussagen zur Sicherheit der Misteltherapie abgeleitet werden, weil unerwünschte Nebenwirkungen verschwiegen würden. Konkrete Anhaltspunkte für diese steile These wurden jedoch nicht genannt.
Lange Mängelliste
Die Schlussfolgerungen sind fragwürdig: Zum einen lassen sich verschiedene Aussagen anhand der im Review eingeschlossenen Tabellen nicht aufrechterhalten. Zum anderen fehlt es an einer unabhängigen Betrachtung der Ergebnisse, an methodischer Genauigkeit und gesicherter Evidenz. Stattdessen wird mit falschen Zitaten und Fehlinterpretationen gearbeitet.
Beispielsweise wird behauptet, die Studien zur Misteltherapie ließen aufgrund der Heterogenität der Patientenkollektive keine Meta-Analyse zu, was schlichtweg falsch ist: Eine solche Metaanalyse in Bezug auf das Überleben wurde bereits 2009 veröffentlicht. Das Ergebnis: ein klarer Überlebensvorteil für die Patienten unter Anwendung von Mistelextrakten. Ein anderes Beispiel: 14 Mistelstudien zur Überlebenszeit wurden ausgewertet, wovon 11 eine längere Überlebenszeit der mit Mistelextrakten behandelten Patienten zeigten. Trotzdem wird geschlussfolgert, dass die meisten Studien keine Wirkung der Mistel auf das Überleben gezeigt hätten.
Wissenschaftlich ist anders
Die Kritik an dem Review wiegt umso schwerer, als ein Review den Anspruch höchster Wissenschaftlichkeit erhebt und die Autoren selbst behaupten, dass sie den Cochrane-Kriterien, die international als Maßstab für die Bewertung klinischer Studien angesehen werden, konsequent folgen.
Auf diese Zusammenhänge hat eine Gruppe von Forschern im Frühjahr 2019 aufmerksam gemacht und in einem » Letter-to-the-Editors gefordert, die Publikation wegen gravierender formaler und inhaltlicher Mängel entweder zu korrigieren oder ganz zurückzuziehen. Eine ausführliche Stellungnahme soll im Spätherbst 2019 folgen.